Früher war die Gattung Tetragonopterus das Sammelbecken für alle kleineren Salmlerarten, die heutzutage z.B. in den Gattungen Hemigrammus, Hyphessobrycon oder Moenkhausia stehen. Gehalten hat sich davon die englische Bezeichnung „tetra“ für alle Salmler, eine Abkürzung von Tetragonopterus. Heutzutage sind nur noch 14 Arten in Tetragonopterus, von denen jedoch nur T. argenteus als Aquarienfisch gelten kann (siehe: https://www.aquariumglaser.de/fischarchiv/tetragonopterus-argenteus/). Von den aktuell 14 Arten sind übrigens 9 Arten erst nach dem Jahr 2010 wissenschaftlich beschrieben worden; es liegt also auf der Hand, dass sie sich sehr ähnlich sehen, sonst wären sie sicherlich schon früher erkannt worden; die Mehrzahl von ihnen wurde früher T. chalceus zugeordnet.
Nun haben wir eine Tetragonopterus-Art aus Brasilien unter der Bezeichnung T. chalceus importieren können und um sie zu bestimmen, begann eine große Literaturrecherche. Zunächst stellten wir sie provisorisch zu T. chalceus, denn so wäre sie vor dem Jahr 2010 sicher bezeichnet worden. Einige für die Systematik der Salmler wichtige Merkmale können wir nicht berücksichtigen, etwa die Form und Anzahl der Zähne oder der Kiemenrechen, denn sie sind am lebenden Tier nicht zu erkennen und wir töten keine Tiere zu Bestimmungszwecken ab. Aber auch Farbmerkmale sind für die Bestimmung wichtig. Unser Tetragonopterus hat z.B. zwei längliche, vertikale Schulterflecken ( = Humeralflecken) und einen kreisrunden Schwanzwurzelfleck.
Nach dem aktuellsten Bestimmungsschlüssel (Silva et al., 2016) scheiden T. argenteus, T. carvalhoi, T. daguae, T. rarus und T. georgiae von vornherein aus (Schuppen- und Zeichnungsmerkmale). Ebenso scheiden scheiden T. anostomus und T. kuluene (beide nur einen Humeralfleck) aus. Verbleiben also T. araguaiensis, T. denticulatus, T. juruena, T. ommatus, T. manaos, T. franciscoensis und T. chalceus. An dieser Stelle schied T. chalceus aus, denn bei dieser Art liegt nur eine Schuppenbreite zwischen den beiden Humeralflecken, bei unseren Importen hingegen drei. T. juruena und T. denticulatus unterscheiden sich u.a. durch 6 Schuppenreihen zwischen Seitenlinie und Rückenflossenansatz (T. juruena) und 7 Reihen (T. denticulatus); damit schied T. juruena aus. T. franciscoensis ist unseren Tieren zwar sehr ähnlich, kommt aber nur im Nordosten Brasiliens vor; von dort sind unsere Fische aber mit Sicherheit nicht. Sie stammen nach Angabe des Exporteurs aus dem Rio Tocantins; dort kommen T. araguaiensis und T. denticulatus vor (beide aus dem Rio Araguaia beschrieben, der ein Zufluss des Rio Tocantins ist). Leider beschränken sich die Artdiagnosen auf die Anzahl der Kiemenrechen. Aber der sorgfältige Vergleich der Abbildungen beider Arten macht es wahrscheinlicher, dass es sich bei unseren Importen um T. denticulatus handelt. T. ommatus – das nur der Vollständigkeit halber – ist bislang nur aus dem mittleren Rio Tapajós bekannt und die zuletzt (2018) beschriebene Art T. manaos kommt aus dem Rio Negro.
Wir haben den Bestimmungsweg so ausführlich geschildert, weil Fische wie Tetragonopterus denticulatus sicher nur für Spezialisten und Raritätensammler interessant sind, die gewöhnlich großen Wert auf eine korrekte Bestimmung legen. Die Bilder, die wir hier zeigen, sind wohl die ersten Lebendfotos der Art. Auffällig ist das große Auge, das auf eine dämmungsaktive Lebensweise hindeutet. Helles Licht schätzt das Tier jedenfalls gar nicht. Die bislang bekannt gewordene Maximallänge von T. denticulatus liegt bei etwa 7 cm (ohne Schwanzflosse). Demnach sind unsere Tiere (4-6 cm) wohl geschlechtsreif. Sie sind sehr friedlich, lebhaft und etwas schreckhaft. Die Tiere suchen aktiv die Gesellschaft von Artgenossen, sind also als Schwarmfische anzusprechen. Uns sind bislang keine Besonderheiten bezüglich der Pflegeansprüche aufgefallen, die Fische sind als ausgesprochen pflegeleicht zu charakterisieren.
Für unsere Kunden: die Tiere haben Code 296353 auf unserer Stockliste. Bitte beachten Sie, dass wir ausschließlich den Großhandel beliefern.
Literatur
Silva, G. S. C., B. F. Melo, C. Oliveira & R. C. Benine (2016): Revision of the South American genus Tetragonopterus Cuvier, 1816 (Teleostei: Characidae) with description of four new species. Zootaxa 4200 (no. 1): 1-46
Urbanski, B. Q., B. F. Melo, G. S. C. Silva & R. C. Benine (2018): A new species of Tetragonopterus (Characiformes: Characidae) from Central Amazon lowlands, Brazil. Neotropical Ichthyology v. 16 (no. 2) (e3170158): [1-7]
Text & Photos: Frank Schäfer