Dieter Bork (1945 – 2023)

6. Oktober 2023

Als uns am vergangen Mittwoch, am 27.9.2023, die Nachricht erreichte, dass Dieter Bork gestorben sei, war das ein Schock. Wir hatten uns doch gerade erst in der Fischhalle von Aquarium Glaser gesprochen, er war lebhaft wie immer, voller Pläne und Ideen, alles andere als gebrechlich. Es erscheint mir immer noch unfassbar, dass er nie wieder in seiner unnachahmbaren Art von seinen Beobachtungen an seinen Fischen erzählen wird. Man sagte uns, er habe nicht leiden müssen. 

Mit Dieter Bork hat uns einer der profiliertesten und besten Aquarianer verlassen, die ich je kennenlernen durfte. Ich kenne ihn, seit ich 1996 bei Aqualog und Aquarium Glaser anfing zu arbeiten, aber die Familie Glaser kannte ihn bereits viele Jahre länger. Er lieferte immer wieder größere Stückzahlen von ihm gezüchteter Fische, hauptsächlich Killifische, an Aquarium Glaser und vor der Gründung von Aquarium Glaser auch schon zu anderen Großhändlern im Frankfuter Raum. Killis waren seine Lieblinge, er züchtete z.B. den Ringelhechtling (Epiplatys annulatus) und die „Erdgeborenen“, wie er Terranatos dolichopterus und Konsorten nannte, und zwar nicht nur 20 oder 30 Exemplare, sondern 150 oder 200 pro Ansatz. Auch Arten, mit denen andere immer wieder Schwierigkeiten bekamen, etwa Lucania goodei, konnte Dieter. Er war allerdings nicht auf Killis festgelegt, im Gegenteil: alles, was als klein, zart und schwierig galt, ob nun Barbe, Salmler, Labyrinther, Zwergbuntbarsch, Ährenfisch oder Lebendgebärender, pflegte und züchtete Dieter mit einem unglaublichen Gespür und mit einem Einfühlungsvermögen, das seinesgleichen sucht.

Lucania goodei, von Dieter Bork gezüchtet und fotografiert.

Dieter Bork wurde 78 Jahre alt. Auf der Umschlagseite eines der Bücher, die Dieter mit Hans J. Mayland verfasste, hat der Verleger, Werner Schmettkamp, 1998 eine Kurzbiografie von Dieter publiziert, die ich hier – zeitlich angepasst – wiedergeben möchte:

„Der 1945 geborene und in Bruchköbel bei Hanau lebende Diplom-Ingenieur und Naturfreund studierte an der Fachhochschule in Friedberg. Während der Jahre 1964 und 1965 absolvierte er einen 18-montigen Dienst bei der Bundeswehr. Als Aquarianer war er seit mehr als 60 Jahren tätig und seit über 45 Jahren DKG-Mitglied. Mit der Zucht von Killifischen hat er sich seit mehr als 30 Jahren befaßt; später sind Zwergcichliden, Rasborinen und seltene Lebendgebärende hinzugekommen. Dieter Bork hat sein Wissen auch in Form von Vorträgen und später auch als Autor in Aquarien-Magazinen weitergegeben. Sein Freund Hans J. Mayland, mit dem er bereits seit Mitte der 1970er Jahre mit Unterbrechungen zusammengearbeitet hat, überredete ihn zur Kooperation als Buchautor, als dieser nach überstandener schwerer Krankheit einen Partner suchte. Aus dieser ersten schriftstellerischen Gemeinsamkeit entstand 1997 das erste Buch „Zwergbuntbarsche“, das inzwischen auch in englischer Sprache erschienen ist.“

Das Gespann Bork/Mayland hat noch einige Bücher verfasst, im Birgit Schmettkamp Verlag z.B. „Seltene Schönheiten im Süßwasseraquarium“, bei Kosmos Bücher über Lebendgebärende und Salmler, bei Dähne „Aquarienträume“, außerdem verfasste Dieter Portraits in Bänden der Aquarien-Atlas-Reihe bei Mergus. Im Zuge seiner schriftstellerischen Arbeit wurde Dieter auch ein hervorragende Fotograf. Nach dem Tod von Mayland im Jahr 2004 wurden die Veröffentlichungen von Dieter deutlich weniger. Das hing vor allem damit zusammen, dass er sich bis zum Schluss weigerte, sich mit Computern zu befassen. Seine Manuskripte waren wortwörtlich Manuskripte, also handschriftliche Aufzeichnungen. Das wurde von immer weniger Redaktionen akzeptiert, bzw. es war Dieter unangenehm, die Manuskripte so einzureichen obwohl er eine sehr gut leserliche Handschrift hatte. Schwerwiegender war, dass man Dieter die Korrekturfahnen nicht einfach per Email schicken konnte, denn Email hatte Dieter nicht. Das machte die Dinge zeitaufwändig, was im hektischen Redaktionsalltag, in dem immer ein gewaltiger Termindruck herrscht, sehr lästig war. Ich persönlich hatte damit weniger Probleme, weil Dieter in der Nähe wohnte und ohnehin häufig zu Besuch da war. Darum hatten wir bei Aqualog noch recht häufig Arikel von Dieter in den News. Sonst verfasste Dieter in den späteren 2000ern fast nur noch auf spezielle Bestellung der Redaktionen Artikel. Auch den Sprung zur digitalen Fotografie machte Dieter nie, bis zum Schluss verwendete er Diafilme. Das alles mag ein wenig schrullig erscheinen, vor allem für einen Ingenieur, aber vielleicht liegt hier auch ein Schlüssel dafür, warum er als Fischzüchter so überaus erfolgreich war. Er hatte eben dieses eine Hobby, die Aquaristik, und das betrieb er richtig. Wer von uns wüsste nicht, was für Zeitfresser PC, Social Media usw. darstellen. Dieter ging zu Tagungen, Vorträgen und reiste in die Heimatländer der Fische, die er besonders liebte. Computer und Co. konnten ihm gestohlen bleiben.

Dario dario, wie Dieter ihn sah.

 

Fang von Dario dario im Ghottiganga Creek. Im Hintergrund: Dieter Bork.

Reisen führten Dieter vor allem nach Südamerika: Kolumbien, Venezuela und französisch Guyana bereiste er teils mehrfach. Ich hatte das Privileg, eine Fangreise nach Indien mit Dieter machen zu können, um den damals neuen Dario dario im Biotop zu suchen, gerne fuhr er aber auch nach Thailand, z.B. auf die Insel Phuket. Als aquaristisches Urgestein der Region war Dieter natürlich auch Mitglied im Tümpelgarten in Hanau, wo er im Vereinsheim oft mehrere Becken unterhielt. Seine Anlage zuhause war gar nicht so groß, ein typischer Fischkeller, den er aber sehr effektiv betrieb. Sein besonderes Steckenpferd war ein kleiner Gartenteich, in dem er vom Frühjahr bis Herbst vor allem Lebendgebärende hielt. Der Teich wurde in kühlen Perioden zugeheizt. Diese Hälterung führte teils zu fantastisch gefärbten Fischen, besonders bei Wildformen von Xiphophorus variatus. Im Garten hatte Dieter aber nicht nur seinen Teich, sondern auch einige Pflanzenschätze. Eine Naturform einer Narzisse z.B., wobei er Bewunderern der Blume jedesmal unter ausführlicher Vorführung des verantwortlichen Zeigefingers in epischen Breite erzählen konnte, wie er die Mutterpflanze seines Bestandes vor Jahrzehnten an einem steinigen Wegrand mit bloßen Händen ausgrub.

Einer von Dieters Gartenteichplatys

Mir wird Dieter immer in Erinnerung bleiben als der liebenswerte Mann, der, während er ihn analysierte, den Balztanz einer Micropoecilia auch live performte; als der Grantler, der wenig Gutes an „den Wissenschaftlern“ ließ (zu denen er dann auch mich zählte), wenn die wieder einmal in Krümeln suchten und dabei den offensichtlichen Kuchen gar nicht erkannten; und als der fröhliche, sinnesfrohe Mensch, der allen schönen Dingen des Lebens zugetan war. Dieter war offen und kommunikativ, er stand in Austausch mit zahlreichen Wissenschaftlern und vielen namhaften Aquarianern und war auch ein bei Schülern sehr beliebter Nachhilfelehrer in Mathematik.

Eines der ersten Fotos, die Dieter machte, aus dem Jahr 1996. Es zeigt den damals noch namenlosen Hyphessobrycon columbianus, den er mit P. Machnik in Kolumbien entdeckte.

Die aquaristische Weltgemeinschaft verdankt Dieter u.a. den Blau-Roten Kolumbianer (Hyphessobrycon columbianus), den er und P. Machnik von einer Reise in den Norosten von Kolumbien mitbrachten. Vermutlich alle heutzutage in den Aquarien der Welt schwimmenden Tiere gehen auf diesen einen Import aus dem Jahr 1995 zurück. Unsterblich wurde Dieter ebenfalls durch einen blauen Salmler, denn die bereits seit Jahrzehnten unter dem falschen Namen „Boehlkea fredcochui“ segelnde Art wurde nach der Entdeckung, dass es sich eben nicht um Boehlkea fredcochui handelt, als Knodus borki zu Ehren von Dieter Bork beschrieben und damit seine Verdienste auch für die Wissenschaft gewürdigt.

Knodus borki wurde zu Ehren von Dieter Bork benannt.

Es ist eine ausgelutschte Phrase, aber hier trifft sie wirklich zu: die Lücke, die der Tod von Dieter Bork gerissen hat, wird sich kaum schließen lassen. Unsere Gedanken, guten Wünsche und unser aufrichtiges Beileid sind bei seiner Familie, die Ehemann, Vater und Opa verloren hat.

Frank Schäfer für das ganze Team von Aquarium Glaser