In Aquarienzeitschriften wurde 1977 erstmals über sie berichtet, über die deutschen Wildguppys. Das war in den „Informationen der Deutschen Guppy-Förderation Nr.3“. Kurz darauf referierte Franz-Peter Müllenholz in der „TI“ Nr. 42 (Juni 1978) über das Vorkommen bei Köln, wo die Tiere in einem Bach lebten. Das Wasser war stark verschmutzt, es gab verkrüppelte Tiere, aber insgesamt handelte es sich um hochvitale, schlanke Tiere. Werner Ladiges, Redakteur der „TI“, bezweifelte, dass es sich hier tatsächlich um eine dauerhafte Population handelte. Doch zwei Nummern später, in der „TI“ Nr. 44 (Dezember 1978) wurde das Thema noch einmal kurz aufgegriffen. Es wurde klargestellt, dass der Bach mit Kühlwasser aus einem Werk gespeist wurde, wodurch die Wassertemperatur auch im März noch bei 19°C lag. Das ist natürlich entscheidend für Guppys, denn deren untere Temperaturtoleranz über einen längeren Zeitraum (einige Wochen) liegt bei etwa 14-16°C.
Wissenschaftlich ist das Guppyvorkommen schon länger dokumentiert, nämlich von Friedrich (1973), der sie im Gillbach, einem durch das Kühlwasser des Kohlekraftwerks Niederaußem (des größten deutschen Kraftwerks seiner Art) aufgeheizten Zufluss der unteren Erft fand. Dort und in der unteren Erft selbst gibt es sie noch heute. Nicht nur Guppys, auch etliche andere tropische Organismen besiedeln diese Gewässer: Zebrabuntbarsche (Amatitlania nigrofasciata), Antennenwelse (Ancistrus sp.), Turmdeckelschnecken (Melanoides tuberculatus), tropische Posthornschnecken (Planorbella duryi), der Ringelwurm Branchyura sowerbii und die Getigerte Planarie (Dugesia tigrina), die Garnelen Neocaridina davidi und Macrobacrium dayanum, dazu etliche Pflanzen: Azolla filiculoides, Egeria densa, Lemna aequinoctialis, L. minuta, Myriophyllum aquaticum, Pistia stratiotes und Shinnersia rivularis (Friedrich, 2005). Die Anwesenheit der meisten Arten geht wohl auf Entsorgung durch Aquarianer oder gezielte Ansiedlungsexperimente zurück, bei einigen Arten ist die Herkunft aber unklar.
Die Kölner Warmbachguppys sind interessant. Und man muss noch nicht einmal nach Köln fahren, um sie selbst im Aquarium zu haben. Denn es gibt aktuell bei uns diese Kölner Warmbachguppys als Aquariennnachzuchten zu kaufen. Sie haben also den Weg zurück ins Aquarium gefunden, übrigens ein sehr interesanter Prozess vor dem Hintergrund co-evolutionärer Studien über das Verhältnis des Menschen zu seinen Haustieren. Im Gillbach und der Erft werden sie wieder aussterben, wenn die Einleitung warmen Wassers aufhört, das ist völlig sicher. Aber vielleicht bleiben sie als Kuriosum ja im Hobby erhalten. Wer weiß?
Für unsere Kunden: die Tiere haben Code 419028 auf unserer Stockliste. Bitte beachten Sie, dass wir ausschließlich den Großhandel beliefern.
Zitierte Literatur:
Friedrich, G. (1973): Ökologische Untersuchungen an einem thermisch anomalen Fließgewässer (Erft/Niederrhein). – Schriftenreihe Landesanstalt für Gewässerkunde und Gewässerschutz NRW Heft 33, Kempen-Hüls.
Friedrich, G. (2005): Die untere Erft – Ein subtropischer Fluss. LUA Gewässergütebericht 2005: 101–103
Ladiges, W. (1978): Betr.: Guppypopulation in der Nähe von Köln. TI Tatsachen und Informationen aus der Aquaristik 12 (44): 42
Müllenholz, F.-P. (1978): Guppypopulation in der Nähe von Köln. TI Tatsachen und Informationen aus der Aquaristik 12 (42): 42-43
Text & Photos: Frank Schäfer