Die Frage, welche wissenschaftlichen Artnamen die unterschiedlichen Diskus-Buntbarsche tragen müssen, wird kontrovers diskutiert. Einig ist man sich, dass alle Symphysodon-Populationen relativ eng miteinander verwandt sind und sich konservierte Exemplare ohne Farbe und Fundort nicht mit Sicherheit bestimmen lassen; eine gewisse Ausnahme ist lediglich der Heckel-Diskus (Symphysodon discus), der sich in einigen zähl- und messbaren Werten manchmal von den übrigen Diskusbuntbarschen unterscheidet.
Nach Farbmerkmalen unterscheidet man traditionell Heckel-Diskus (Symphysodon discus), Grüne Diskus (S. aequifasciatus) und Braun/Blaue Diskus (S. haraldi).
Früher unterschied man beim Braun/Blauen Diskus zwei Unterarten, nämlich Braune Diskus Symphysodon aequifasciatus axelrodi und Blaue Diskus Symphysodon aequifasciatus haraldi, dann zog man aber beide zusammen, erhob sie in Artstatus und nannte sie fortan Symphysodon haraldi.
Eine genetische Untersuchung von mitochondrialer DNS ( = mDNS) durch Ready et al. 2006 ergab ein Bild, das sich mit der Einteilung in Braun/Blaue und Grüne Diskus nicht deckt. Dieser mDNS-Untersuchung zufolge stellen alle Blauen und Grünen Diskus (!) westlich einer durch den Rio Purus gebildeten natürlichen Verbreitungsbarriere eine Art dar, die Symphysodon tarzoo zu nennen ist, während alle östlich des Rio Purus vorkommenden Braunen und Grünen Diskus (!) als Symphysodon aequifasciatus zu bezeichnen wären. Eine Bestimmung der Art ohne Kenntnis der Herkunft und ohne DNS-Untersuchung ist bei Braunen, Blauen und Grünen Diskus nach dieser Auffassung kaum möglich. Würden wir Ready et al. folgen, so müssten wir konsequent alle Grünen, Braunen und Blauen Diskus im Handel als Symphysodon sp. bezeichnen. Die Eigenständigkeit von S. discus wird von Ready et al. nicht in Frage gestellt.
Zu einem anderen Ergebnis kam eine zweite Studie von Bleher et al. 2007, die ebenfalls mit mDNS arbeitete. Diese Arbeit unterscheidet drei benennbare Diskus-Arten, nämlich Heckel (S. discus), Grün (S. aequifasciatus) und Braun/Blau (S. haraldi). S. tarzoo ist demnach ein Grüner Diskus und fällt in die Synonymie von S. aequifasciatus.
An dieser Stelle muss etwas zu DNS-Untersuchungen gesagt werden. Vielleicht zuerst: DNS und DNA ist das exakt gleiche, In DNS steht das „S“ für „Säure“, in DNA das „A“ für „Acid“. DNS ist also das deutsche Wort, DNA das englische. Die chemische Substanz, die Erbsubstanz, ist identisch (Desoxyribonukleinsäure).
Viele Menschen glauben, man es gäbe einen Bestandteil der DNS, der sozusagen das Namensschild der Spezies trägt. Das ist nicht so. Ob sich aus einer Eizelle ein Hühnchen, eine Giraffe oder eine Kokospalme entwickelt, ist von sehr vielen verschiedenen DNS-Bestandteilen abhängig. Da die gesamte DNS ein vergleichsweise riesenhaftes Molekül ist, ist die vergleichende Untersuchung des Gesamt-DNS verschiedener Arten nicht möglich (und, nebenbei gesagt, auch nicht sinnvoll, aber das würde hier zu weit führen).
Also untersucht man bei DNS-Untersuchungen immer nur ein kleines Stück des Gesamtmoleküls und vergleicht dieses mit dem analogen Teilstück der zum Vergleich vorgesehenen Art. Da das Leben (zumindest aller höheren Lebensformen) nur ein einziges Mal entstanden ist, wurden auch alle existentiell wichtigen biochemischen Vorgänge nur einmal „erfunden“ und funktionieren bei allen Lebenwesen gleich. Somit kann man bei Pflanzen und Tieren problemlos bestimmte Proteine, die z.B. für die Atmung unerlässlich sind, miteinander vergleichen. Proteine werden von der DNS codiert, also „hergestellt“ (bzw. die DNS liefert den ausführenden Zellen den Bauplan zur Bildung der Proteine, um korrekt zu sein). Wenn der entsprechende DNS-Abschnitt, der für die Codierung des Atmungsproteins zuständig ist, identifiziert werden kann, kann man ihn mit so genannten Markern auf jeder beliebigen DNS isolieren. Nun hat man nur noch ein relativ kleines, aber sehr aussagekräftiges Teilstück der DNS, das sich mit vertretbarem Aufwand analysieren lässt. Im Laufe der Evolution kommt es immer wieder zu kleinen Veränderungen der DNS, so genannten Mutationen. Alles deutet darauf hin, dass die Anzahl der Mutationen pro Zeiteinheit konstant ist. Und so kann man, nutzt man einen Marker für den DNS-Abschnitt, der ein Atmungsprotein codiert, den entsprechenden DNS-Abschnitt einer Banane und eines Schimpansen miteinander vergleichen. Aufgrund der Anzahl der gefundenen Unterschiede kann man dann den Zeitpunkt berechnen, an dem der letzte gemeinsame Vorfahre von Banane und Schimpanse gelebt hat.
Wenn DNS-Analysen zur Fragestellung von Artverschiedenheit oder Artgleichheit herangezogen werden, geht man genau so vor. Gibt es viele Unterschiede, so ist es sehr wahrscheinlich, dass es sich um zwei verschiedene Arten handelt, gibt es wenige, dann halt nicht.
Das Besondere an der mDNS ist, dass sie viel kleiner und leichter zu bearbeiten ist, als die „Haupt-DNS“, die sich im Zellkern befindet. Aber die mDNS repräsentiert ausschließlich die weibliche Linie, da die Mitochondrien bei der Befruchtung nicht, wie die DNS im Zellkern zu je 50% von Vater und Mutter neu gebildet wird, sondern 1:1 von der Mutter auf das Kind übergeht. Die logische Folge: Hybriden, also Kreuzungen zwischen zwei Arten, können bei Untersuchungen der mDNS nicht erkannt werden. Kreuzt man einen Eselhengst mit einer Pferdestute ist die mDNS des Kindes 100% identisch mit der mDNS eines Pferdes und umgekehrt.
Gerade bei Diskus scheint uns deshalb die Untersuchung von mDNS zur Klärung der Artfrage ungeeignet, denn bei ihnen treten in fast allen Populationen, in denen Heckel und Braun/Blaue Diskus vorkommen relativ viele untypische Exemplare auf, die im Handel als „Gypsi“ oder „Cross“ bezeichnet werden. Sie stehen in ihrer Merkmalsausprägung zwischen Heckel und Braun/Blau und sind wahrscheinlich entweder direkte Hybriden oder stellen Tiere dar, bei denen Merkmale von früheren Kreuzungsereignissen wieder durchschlagen. Der Grüne Diskus steht in dieser Hinsicht etwas isoliert da, es scheinen deutlich wirksamere Kreuzungsbarrieren zwischen Grün und Braun/Blau und erst recht zwischen Grün und Heckel zu bestehen.
Wir folgen darum bei der Namensgebung grundsätzlich dem Vorschlag von Bleher et al. (2007), weil er sich sehr gut praktisch anwenden und sich auch in den allermeisten Fällen mit dem äußeren Erscheinungbild der Fische in Einklang bringen lässt, vermeiden aber in unklaren Fällen einfach den Artnamen. Wir sind ein Zierfischgroßhandel und kein Museum. Wenn neuere Untersuchungen überzeugende, andere Ergebnisse liefern, werden wir uns dem sicher anschließen.
Als der französische Wissenschaftler Jacques Pellegrin im Jahr 1904 Symphysodon aequifasciatus beschrieb, lagen dieser Beschreibung drei Tiere zugrunde, eines aus der Umgebung von Santarem (ein braun/blauer Diskus) und zwei aus der Umgebung von Tefe (grüne Diskus). Farbunterschiede waren an den konservierten Tieren für Pellegrin nicht sichtbar, er hielt alle drei für das gleiche. In solchen Fällen, wenn also mehrere untereinander gleichwertige Exemplare innerhalb einer Typenserie aus der Sicht späterer Bearbeiter verschiedene Arten darstellen, muss eines der Exemplare als der eigentliche Typ festgelegt werden, der fortan als Referenzexemplar für die Art gilt. Man nennt das eine Lectotyp-Festlegung. Der Wissenschaftler, der den Lectotyp festlegt, muss dazu das Exemplar auswählen, das der verbalen Beschreibung in der Originalbeschreibung am nächsten kommt und das auch begründen. Im Fall von S. aequifasciatus gab Pellegrin allerdings keinerlei Hinweise darauf, dass er eines seiner drei Exemplare irgendwie von den anderen Unterschied. Als 1960 Harald Schultz die neuen Unterarten axelrodi (braun) und haraldi (blau) beschrieb, legte er keinen Lectotyp für aequifasciatus fest. Schultz hatte 104 frisch gesammelte Exemplare aus dem Lago Tefe zur Referenz vorliegen, die er für identisch mit der von Pellegrin beschriebenen aequifasciatus hielt. Seither wird in der Literatur der Grüne Diskus als aequifasciatus bezeichnet, denn im Lago Tefe gibt es ausschließlich Grüne Diskus.
Die Literatur über Diskusfische seit 1960 ist sehr umfangreich und wurde teilweise in kaum bekannten Zeitschriften und Büchern publiziert. Es ist darum nicht bekannt, ob vor 2006 eventuell eine Lectotyp-Festlegung für aequifasciatus stattfand. Aber in ihrer DNS-Studie legten Ready et al. 2006 ausgerechnet den braun/blauen Diskus aus Santarem (Sammlungsnummer des Pariser Museums: MNHN 1902-0130) als Lectotypus fest. Damit wurde der Name Symphysodon tarzoo, den Lyons 1959 (das eingedruckte Datum des Heftes ist 1960, es wurde jedoch bereits 1959 gedruckt und das ist entscheidend) für Grüne Diskus aus der Umgebung von Leticia prägte, der verfügbare Name für Grüne Diskus, während die Namen für braunen und blaue Diskus (axelrodi und haraldi) zu Synonymen zu aequifasciatus sind. Die Wahl des braun/blauen Diskus als Lectotypen für aequifasciatus ist ausgesprochen unglücklich, da Diskusfische zu den wenigen auch außerhalb der rein akademischen Welt bekannten Tierarten gehören, deren wissenschaftlicher Name sehr häufig gebraucht wird. Es wäre darum im Sinne der Stabilität der zoologischen Namensgebung gewesen, eines der Exemplare aus dem Lago Tefe als Lectotyp zu wählen, was ohne weiteres möglich gewesen wäre. So lauten nun aber, wenn nicht noch der Nachweis erbracht wird, dass bereits vor der Lectotypenfestlegung durch Ready et al. eine Lectotypenfestlegung durch einen anderen Autoren mit einem anderen Exemplar der Typenserie erfolgte, die gültigen wissenschaftlichen Namen für den Heckel Symphysodon discus, den Grünen S. tarzoo und den Braun/Blauen S. aequifasciatus.
zitierte Literatur:
Bleher, H., K. N. Stölting, W. Salzburger & A. Meyer (2007): Revision of the genus Symphysodon Heckel, 1840 (Teleostei: Perciformes: Cichlidae) based on molecular and morphological characters. aqua, International Journal of Ichthyology v. 12 (no. 4): 133-174
Lyons, E. (1959): Symphysodon discus Tarzoo. New blue discus electrify aquarium world. Tropicals Magazine v. 4 and cover: 6-8, 10
Pellegrin, J. (1904): Contribution à l’étude anatomique, biologique et taxinomique des poissons de la famille des Cichlidés. Mémoires de la Société Zoologique de France v. 16 (nos 2-4): 41-400, Pls. 4-7
Ready, J. S., E. J. G. Ferreira & S. O. Kullander (2006): Discus fishes: mitochondrial DNA evidence for a phylogeographic barrier in the Amazonian genus Symphysodon (Teleostei: Cichlidae). Journal of Fish Biology v. 69 (suppl. B): 200-211
Schultz, L. P. (1960): A review of the pompadour or discus fishes, genus Symphysodon of South America. Tropical Fish Hobbyist v. 8 (no. 10): 5-17
Text & Photos: Frank Schäfer